D-LEsta, 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, 0209 Kopierbuch A, 1. Januar–20. Februar 1877, Bl. 328
- Titel
-
- 1877-01-19 Breitkopf & Härtel an Carl Reinecke
- Signatur
-
- D-LEsta, 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, 0209 Kopierbuch A, 1. Januar–20. Februar 1877, Bl. 328
- Ort des Bestandes
- Bestand
- Absender
- Ort des Absenders
-
- Leipzig
- Empfänger
- Ort des Empfängers
-
- Leipzig
- Sprache
-
- Deutsch
- Inhalt
-
- Breitkopf & Härtel bitten um Reineckes Meinung, wie mit den Angaben "colla parte" etc. in der Edition der Mozart-Gesamtausgabe umgegangen werden soll
- Transkript
-
- 19. Januar 1877
Sehr geehrter Herr!
Gestatten Sie, daß wir Ihren Rath in einer Principien-Frage, die die Mozart-Ausgabe angeht, in Anspruch nehmen! Wir haben bei Beethoven, Mendelssohn, sowie auch bei den bisher veröffentlichten Werken Mozart’s es allgemein durchgeführt, daß jedes Instrument sein eigenes System habe, nun ergeben sich uns beim „Requiem“ Schwierigkeiten, die auch theilweise in einer Messe von Neuem hervortreten. Dieselben machen sich bei den Posaunen geltend. Mozart hat in seiner Niederschrift denselben kein besonderes System gegeben; gelegentlich finden sich auf den Singstimmen einige Noten notirt mit dem Zusatz „Trombe“; an einigen Stellen auch die Notiz: „Trombe colle parte“ oder „colle basso“ „colli tenori“ und umgekehrt ebenfalls bei den Singstimmen die Notiz „senza tromboni“ und dergl.
In den Fällen, wo weder Noten ausgeschrieben sind, noch ein Hinweis auf die Posaunen in Worten ausgedrückt ist, ist es nicht klar, welches die Rolle der Posaunen gewesen ward. Nehmen wir nun ein eigenes System für diese Instrumente an, so ist
/
unbedingte Klarheit nothwendig. Da wo bei den Singstimmen nichts über die Posaunen angegeben ist, müßte man naturgemäß Pausen setzen, aber im „Requiem“ muß man öfters vermuthen, daß Mozart durchaus nicht daran gedacht hat, daß in diesen Fällen die Posaunen schweigen sollten; andererseits ist nicht angegeben, daß die einzelnen Posaunen in dem Falle, wo ein „colle basso“ „colli tenori“ oder dergl. bemerkt ist, vollständig mit den Singstimmen concruent [!] liefen. Vielmehr würden sie dann Formen auszuführen haben, die diesen Instrumenten durchaus nicht angemessen sind. Die Posaunen sollten also in diesen Fällen mit den Singstimmen gehen, aber sie nicht Note für Note begleiten. Hierbei sind wir also garnicht einmal in der Lage, die Notiz wirklich in Noten zu übersetzen, da wir ja nicht wissen, ob Mozart geradeso die Posaunen gehen lassen wollte. Was nun thun?
Wir dachten, da es ja besser ist, daß unbedingte Klarheit herrsche, auch wenn dadurch die Lückenhaftigkeit der Manuscript-Vorlage ersichtlich wird, trotzdem den Posaunen besondere Systeme zu geben, an den Stellen, wo unten bei den Singstimmen Notizen angegeben sind, diese heraufzunehmen, an den Stellen, wo ein „colle basso“ oder dergl. vorkommt, die Noten oben auszusetzen, wo es absolut nicht zweifelhaft ist, daß die Noten der Posaunen vollkommen identisch sind mit den Singstimmen; in den Fällen aber wo dies nicht ist, die betreffende Notiz „colle“ oder dergl. oben in dem Posaunen-System anzubringen, in
/
weiteren Tacten jedoch weder Pausen noch ausgeschriebene Noten anzubringen, sondern das System einfach leer weiter zu führen. Wer es dann unternehmen will, nach seinem Privat-Gutdünken sich für die Aufführung die Posaunen zu ergänzen, der mag sie in die Druckvorlage einzeichnen.
Es würde auf diese Weise vollkommene Klarheit erreicht, dem Componisten nicht Fremdes imputiert und das Princip gewahrt. Freilich würden sich die an manchen Stellen leeren Systeme seltsam ausnehmen.
Herr Dr. Brahms, der die Redaction dieses Werkes übernommen und zu Ende geführt hat, sodaß dem dem Druck nur noch die Erledigung dieser Angelegenheit entgegensteht, erklärte selbst, keinen Ausweg zu wissen; wir bitten Sie deshalb uns Ihre Anschauung zu sagen, wenn auch nur mit einigen kurzen Worten.
In größter Hochachtung
Breitkopf & Härtel
- 19. Januar 1877
- Umfang
-
- 3 Seiten
- Bemerkung
-
- Handschrift
- Datum
-
- 19.01.1877
- Personenreferenz
- Werkreferenz
- Schlagworte
- Bearbeiter
-
- mayer
- Bearbeitungsstatus
-
- fertig
- Statische URL
- https://musiclpz.dl.uni-leipzig.de/receive/MusicLpzLetter_letter_00001066
- MyCoRe ID
- MusicLpzLetter_letter_00001066 (XML-Ansicht)
- Lizenz
- Anmerkungen zu diesem Datensatz senden