Carl Reinecke leitet seine Kadenzen für das 7. Violinkonzert Mozarts weiter und gibt
seine Einschätzung zu dessen Echtheit ab
Transkript
Leipzig, 23. Oktober 1907
Sehr geehrte Herren!
Herzlichen Dank sage ich Ihnen für die gütige Uebersendung des Mozart’schen Concertes,
und bitte Sie, als Gegengabe die Cadenzen zu demselben entgegen zu nehmen, von denen
ich allerdings erst die mitfolgende zum 2t. Satze vollendet habe. Selbst wenn die
gestochenen Cadenzen von Mozart sein sollten, würde ich dennoch wagen, sie für reichlich
conventionell zu erklären. Was das Concert selbst anlangt so kennzeichnen viele feine
Züge schon / den dereinstigen großen, in seiner Art einzigen Meister. Doch glaube ich, daß der
Copist sich gar manche Freiheiten erlaubt hat; in allen übrigen Violin-Concerten ist
M[ozart] niemals über das dreigestrichene a hinaus gegangen, in diesem aber kommen
c, cis, d der viergestrichenen Oktave nicht selten vor. Auch hat M[ozart] in den übrigen
Concerten keine eigentlichen Doppelgriffe verwendet, während solche in diesem Concerte
nicht selten vor- / [52] kommen, man begegnet sogar Oktaven und Decimen! Diese Zuthaten – wenn es solche sind
– thun aber dem Concerte keinen Eintrag, mögen sogar dem Spieler nicht willkommen
sein, aber immerhin fielen sie mir als unmozartisch auf. Sehr überrascht hat es mich,
daß die Cadenzen immer erst nach dem Schlußtriller eingeschaltet sind.
In vorzüglicher Hochachtung Ihr Carl Reinecke
*Soeben bemerke ich, daß ich die Cadenz / auf eine \anderweitige/ Skizze geschrieben habe und bitte deshalb um Verzeihung. D. O.*
