Carl Reinecke teilt mit, dass er einen vermisst geglaubten Notenbogen aus einem Haydn-Klavierkonzert
in seinem Schreibtisch wiedergefunden habe
Transkript
Leipzig, 8. Dezember 1906
Sehr geehrte Herren!
Nachdem ich seiner Zeit tagelang jedes Blatt in meinem Schreibtisch resultatlos umgewendet
hatte, um den vermißten Bogen aus dem Haydn’schen Clavier-Concerte zu entdecken, stellt
sich der Deserteur heute freiwillig, und bin ich glücklich, Ihnen denselben hiemit
übersenden zu können. Da eine Schublade in meinem Schreibtische nicht functioniren / wollte, war ich genöthigt zwei Schubladen heraus zu nehmen, und da fand sich jener
Bogen an der Rückwand des Schrankes auf mir unerklärliche Weise zwischen Wand und
Schublade eingeklemmt. Wie derselbe sich dahin hat verirren können, wo Niemand ihn
ohne Entfernung der Schubladen sehen konnte ist mir schwer verständlich, zumal er
nicht den geringsten Schaden / [42] genommen, nicht einmal eine Falte oder einen Knick davon getragen hat. Doch – wie
dem auch sei – ich bin glücklich, daß das Aergerniß nun aus der Welt geschafft ist,
und wünsche mir, daß Sie mit mir die Empfindung theilen, daß hier ein unglücklicher
Zufall, nicht eine Sorglosigkeit meinerseits die Schuld trägt.
