D-LEsa 1.3.5.0130.6.1833 Nr. 754
- Titel
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- 1890-01-08 Carl Reinecke an die Gewandhaus-Konzertdirektion
- Signatur
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- D-LEsa 1.3.5.0130.6.1833 Nr. 754
- Ort des Bestandes
- Bestand
- andere Nummerierung
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- Nr. 754 (S. 104, Bl_065)
- Absender
- Ort des Absenders
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- Leipzig
- Empfänger
- Ort des Empfängers
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- Leipzig
- Sprache
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- Deutsch
- Inhalt
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- Carl Reinecke äußert sich zum Konflikt zwischen Theater- und Gewandhaus-Konzertdirektion über den Anspruch auf die Orchestermusiker
- Transkript
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- Leipzig, den 8. Januar 1890
Mir scheint aus dem, in dem Schreiben des Orchester-Vorstandes angeführten Paragraphen (§3a) deutlich hervorzugehen, daß die Theater-Direction an den Donnerstagen, an welchen Gewandhaus-Concerte stattfinden, gar keine Ansprüche an das Stadt-Orchester zu machen hat. Sollte, was ich als Laie in der Jurisprudenz nicht beurtheilen kann, eine Lücke in dem Paragraphen vorhanden sein, in Folge derer sich irgend ein Recht auf die in Concerten zufällig nicht beschäftigten Mitglieder des Orchesters herausklagen ließe, so wäre das sehr zu bedauern, denn der Zweck des § ist doch wohl unbedingt der Eine, der Concert-Direction für die Concerte
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die unbedingte Disposition über das Orchester zu sichern. Sollte ein erster Bläser unmittelbar vor dem Concerte krank werden, so müßte der andere sofort für ihn eintreten können (wie dies beispielsweise im letzten Concerte der Fall war, wo Herr Schwedler für Herrn Barge eintreten mußte). Ein solches plötzliches Eintreten würde unmöglich sein, wenn Herrn Schwedler inzwischen von dem Theater in Anspruch genommen worden wäre. Und damit ein solches plötzliches Eintreten möglichst geringe musikalische Nachtheile mit sich bringe, ist auch die Anordnung getroffen worden, daß \auch/ die nicht beschäftigten Bläser in allen Hauptproben zugegen sein müssen, damit sie inzwischen mit den Aufgaben möglichst vertraut und bekannt werden.
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Jedenfalls ist in dem Paragraphen der eine Fehler, daß des Neujahrs-Concertes zu erwähnen vergessen worden ist. Warum sollten wir in der kommenden Saison, in welcher das Neujahrs-Concert zufällig auf einen Donnerstag fällt, unbehindert unser Concert geben können, während z. B. in diesem Jahre Schwierigkeiten gemacht wurden und von dem Orchester verlangt wurde, daß es dem Theater eine Bühnenmusik auf seine Kosten stellen solle. Wie kann man vom Orchester verlangen, daß es die schlimmen Folgen eines mangelhaft abgefaßten Paragraphen trage und daß es an einem Tag der Concert-<x>Direction und dem Theater zugleich dienstbar sein solle! Wenn das Neujahrs-Concert nicht auf einen Donnerstag fällt, so fällt dem Theater als Entschädigung die Benutzung des Orchesters an dem frei gewordenen Donnerstage zu. Kurz, meiner Ansicht nach
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kann bei der Abfassung des Contractes zwischen Orchester und Theater-Direction, die Absicht nur die eine gewesen sein \klar zu legen/, daß dem Orchester die Pflichten gegen das Theater erlassen sind, sobald die Concert-Direction berechtigt ist, über das Orchester zu disponiren. Wenn der Wortlaut lückenhaft sein sollte, so müßte die erste Gelegenheit die sich giebt, ergriffen werden, um die Angelegenheit ganz gründlich klar zu machen. Bei der Gelegenheit müßte – was ich hier einzuschalten mir gestatte – auch die Angelegenheit wegen der Extra-Proben geregelt werden; es ist ein trauriger Zustand für uns, daß wir in Betreff dieser ganz und gar von der Liebenswürdigkeit des Theaterdirectors abhängen.
Es ist gewiß sehr wünschenswerth, daß
(S. 105, Bl_066)
die Concert-Direction mit der Theater-Direction stets in bestem Einvernehmen stehe und daß die verschiedenen Fragen, namentlich die unmittelbare in Rede stehende Frage, auf gütlichem Wege geregelt werden, in anderem Falle aber müßte die Concert-Direction von ihrem vollen Rechte für jedes Concert Gebrauch machen und sämmtliche Bläser für jedes Concert bestellen; ich glaube, daß mich Niemand hindern kann, anzuordnen, daß z. B. Herr Hinke in dem Concerte die Orchesterwerke, Herr Tamme die Begleitungs-Parthien bei den Solosätzen spiele und umgekehrt etc. Der große Vortheil, welcher durch die doppelte Besetzung der ersten Bläser mit Mühe er-
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reicht worden ist, würde gänzlich verloren gehen, wenn die zufällig gerade nicht beschäftigten Bläser nun doch im Theater mitwirken müßten. Sie würden, was die Eingabe des Orchester-Vorstandes sehr richtig hervorhebt, gezwungen sein mit untergeordneten Musikern zu spielen, würden den esprit de corps verlieren und künstlerisch herabkommen, abgesehen davon, daß sie frühzeitig abgenutzt werden und eher dem Orchester-Pensionsfonds zur Last fallen.
Carl Reinecke
- Leipzig, den 8. Januar 1890
- Umfang
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- 3 Blätter, 4 Seiten
- Datum
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- 08.01.1890
- Personenreferenz
- Aufführungsreferenz
- Schlagworte
- Bearbeiter
-
- mayer
- Bearbeitungsstatus
-
- fertig
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