D-LEsa 1.3.5.0130.6.1832 Nr. 683
- Titel
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- 1886-09-21 Carl Reinecke an die Gewandhaus-Konzertdirektion
- Signatur
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- D-LEsa 1.3.5.0130.6.1832 Nr. 683
- Ort des Bestandes
- Bestand
- andere Nummerierung
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- Nr. 683 (S. 162, Bl_111)
- Absender
- Ort des Absenders
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- Leipzig
- Empfänger
- Ort des Empfängers
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- Leipzig
- Sprache
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- Deutsch
- Inhalt
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- Carl Reinecke fürchtet um eine Verschlechterung des Verhältnisses zu Bernhard Pollini und bittet die Konzertdirektion, ihre Entscheidung zu überdenken und Pollini den Gewandhaus-Saal zu überlassen
- Transkript
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- Leipzig, 21. September 1886
An die verehrl[iche] Concert-Direction
Leipzig.
Hochgeehrte Herren!
Ich bin Ihnen zwar sehr dankbar dafür, daß Sie sich bereit erklären, die abschlägige Antwort auf das Gesuch des Herrn Pollini, welche mich sehr unglücklich machte, demselben direct zukommen zu lassen, aber, wenn Sie demselben auch alle Ihre Gründe mittheilen werden, Goethe wird doch Recht behalten mit seinen Worten „Man spricht vergebens viel, um zu versagen, der Andre hört von Allem nur das Nein.” Und dies Nein werde ich allein büßen müssen! und so kann es leicht geschehen, daß meine Oper, die Frucht langjährigen Fleißes, in Folge Ihres refus von ihm fallen gelassen würde; die erste Bühne aber ist die entscheidende und somit kann Pollini, wenn er will, meiner Oper ein- für allemal das Todesurtheil sprechen. Aus dem Grunde wage ich es, auf die Gefahr hin zudringlich zu erscheinen, (vor welchem Vorwurf mich aber hoffentlich mein bisheriges Betragen schützen wird) noch einmal an die Güte der Concert-Direction zu appelliren und zu fragen,
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ob nicht einmal zu meinen Gunsten die Ausnahme gemacht werden dürfte, die siebenmal zu Gunsten Rubinstein’s gemacht ward und alljährlich zu Gunsten des Pauliner gemacht wird? Allerdings hat Rubinstein durch mehrfaches Spielen ohne Honorar die Concert-Direction verpflichtet, aber wir wissen doch alle, daß Rubinstein die Thatsache, daß wir seine Compositionen mehr cultiviren als fast irgend eines anderen modernen Componisten, unweit höher schätzt als ein paar Honorare und wissen, daß die Pauliner, denen wir ja allerdings verpflichtet sind, sich ihrerseits doch auch dadurch sehr gehoben fühlen, daß sie von allen übrigen Männergesang-Vereinen bevorzugt sind, im Gewandhause zu singen, während andere Männergesang-Vereine auch sofort bereit sein würden an die Stelle der Pauliner zu treten. Ueberdies weiß man draußen wohl schwerlich, warum die Concert-Direction bei Rubinstein und den Paulinern die Ausnahme gemacht hat und wird \man/ diese in ähnlichen Fällen gewiß stets anführen, ebensowohl wie Pollini es that. Und wenn beiPolliniRubinstein und den Paulinern um des Geschehenen willen eine Ausnahme gemacht ward, könnte da nicht vielleicht auch eine gemacht werden um des von Herrn Pollini für die Zukunft bereits gegebenen Versprechens, seinen Künstlern in Zukunft zu unseren Gunsten Urlaub zu gewähren, falls ihm der Saal bewilligt würde? Ich glaube, daß dies Versprechen nicht unterschätzt werden sollte und daß es als triftiger Grund zu einer Ausnahme von Anderen ebensowohl anerkannt werden müßte, als die Thatsache, daß Rubinstein einige Male das Honorar refusirte. Endlich wage ich in aller Bescheidenheit die leise Frage, ob nicht vielleicht 26 Jahre treuer Dienste ebenso viel Rücksicht verdienen als Rubinstein’s Courtoisie? Wohl weiß ich, daß ich für meine Pflichterfüllung mein Gehalt beziehe, aber ich glaube doch, mir mit gutem Gewissen das Zeugniß geben zu dürfen, daß ich in der Zeit meiner Wirksamkeit sehr viel lediglich im Interesse der Kunst gethan habe, wozu ich nicht eigentlich verpflichtet gewesen wäre. Und somit wage
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ich, noch einmal die ganz ergebene Bitte an die Concert-Direction zu stellen, daß dieselbe die Angelegenheit noch einmal in Erwägung ziehen möge. Noch bitte ich, nicht etwa zu glauben, daß ich zu schwarz sehe, wenn ich im Eingange dieses Briefes meine Befürchtungen aussprach. Wer einmal mit dem Theater zu thun hatte, macht Erfahrungen, von denen ein Anderer keinen Begriff hat. Daß das Concert der Frauen Sembrich und Sucher der Concert-Direction Concurrenz macht, ist ja garnicht abzuleugnen, aber da Pollini das Concert mit ihnen unbedingt geben wird, so bleibt dieselbe ja auf alle Fälle bestehen.
Mit der Bitte, dies erneute Gesuch mit der eigenthümlichen Lage in der ich mich augenblicklich befinde, zu entschuldigen, verbleibe
Ihr stets ganz ergebener
Carl Reinecke
- Leipzig, 21. September 1886
- Umfang
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- 2 Blätter, 3 Seiten
- Datum
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- 21.09.1886
- Personenreferenz
- Werkreferenz
- Schlagworte
- Bearbeiter
-
- mayer
- Bearbeitungsstatus
-
- fertig
- Statische URL
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