Carl Reinecke teilt seine Ansichten betreffs einer Wiederholung des Requiems von Giuseppe
Verdi mit
Transkript
9. März 1876
Verehrter Herr Legationsrath!
Ihrem Verlangen gemäß erlaube ich mir Ihnen meine Ansichten hinsichtlich einer Wiederholung
des Verdi’schen Requiem in Folgendem in aller Kürze darzulegen. Zunächst würde ich nur einer Wiederholung im Gewandhause das Wort reden, weil 1.) unser Chor für die Kirche zu klein ist, 2.) auf alle Fälle
eine Probe nöthig wäre, die in Anbetracht unseres am Sonnabend stattfindenden Kammermusikabends
kaum herzustellen (S. 155, Bl_113) wäre, 3.) weil ich mich nicht sicher überzeugt halte, daß wir die Berechtigung haben,
das Werk außerhalb des Gewandhauses zu geben, 4.) das Werk in seiner ganzen Erscheinung für unsere, wenigstens meine Empfindung, nicht in die Kirche paßt. Für eine Wiederholung im
Gewandhause wäre ich aber unbedingt, und würde ich nicht rathen, den etwaigen Erfolg abzuwarten, sondern die Annonce schon Morgen in allen Blättern sein zu lassen; wir können gewiß auf viel auswärtigen Besuch rechnen, jedenfalls auf einen vollen
Saal. Ferner wage ich Ihnen den Vorschlag zu machen, daß Sie die Wiederholung für
einen wohlthätigen Zweck veranstalten, vielleicht für die Rheinarbeiter, lieber aber
und am liebsten für das Orchester, also entweder für den Pensionsfonds oder für den
Wittwenfonds *oder Beides vereint*. Die Concertdirection verpflichtet sich dadurch
von Neuem das Orchester und die Kosten verringern sich ganz ungemein. Verzeihen Sie,
daß ich mich erkühnte diesen Vorschlag zu machen; ungemein freuen würde ich mich,
wenn er nicht mißfiele. An die Pauliner müßte auch sofort geschrieben werden; Montag ist hier frei wie auch Schmidt versichert und auch in Dresden. In der Hoffnung nichts vergessen zu haben in höchster Eile
