D-LEsa 1.3.5.0130.6.1831 Nr. 579
- Titel
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- 1873-09-11 Carl Reinecke an Paul Bernhard Limburger
- Signatur
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- D-LEsa 1.3.5.0130.6.1831 Nr. 579
- Ort des Bestandes
- Bestand
- andere Nummerierung
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- Nr. 579 (S. 110, Bl_082)
- Absender
- Ort des Absenders
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- Leipzig
- Empfänger
- Ort des Empfängers
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- Leipzig
- Sprache
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- Deutsch
- Inhalt
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- Carl Reinecke bittet um eine Gehaltserhöhung sowie um die gemeinsame künstlerische Leitung der Kammermusikkonzerte zusammen mit dem Ersten Konzertmeister
- Transkript
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- Leipzig, 11. September 1873
|beantw[ortet] 30/9/73|
Geehrter Herr Limburger!
Für die mir von der Concert-Direction gütigst zugesagte Extra-Gratification von 300 Rth. für den Winter 1873/74 sage ich derselben hiedurch meinen verbindlichsten und aufrichtigsten Dank, ohne jedoch verhehlen zu können, daß sie Dem, was ich gewünscht, eigentlich nicht entspricht. Einestheils ist die Verbesserung meiner Stellung in dieser Weise nur eine provisorische, stets von der jeweiligen Absicht der Concert-Direction abhängige und bringt das für mich Peinliche mit sich, daß ich sie nicht hinfort als mein gu-
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tes Recht betrachten darf, sondern alljährlich wieder erbitten muß – und anderntheils wird die erhoffte Verbesserung meiner Stellung durch die daran geknüpfte Bedingung (daß ich von jedem Urlaub ganz, oder doch so viel wie möglich absehen müsse) wieder vollständig auf Null reducirt. Zahlen sprechen am besten, und wenn ich also anführe, daß ich im vorigen Winter (ohne jedoch ein einziges Concert zu versäumen) durch mein Solospiel eine Einnahme von 1155 Rth hatte und daß ich – abgesehen von meiner englischen tournée – praeter propter eine ähnliche Einnahme alljährlich erziele, übrigens auch erzielen muß um zu existiren, so werden Sie zugestehen, daß jene zuletzt gewährte Gratification durch die daran geknüpfte Bedingung sich gleichsam auf Null reducirt. Aber auch abgesehen von allem Pekuniären ist diese Bedingung eine ungemein harte. Ich bin nun einmal Componist und Klavierspieler und so ist mein Wunsch, mich auch auswärts in diesen Eigenschaften geltend machen zu können doch gewiß kein unbescheidener. Trotz alledem würde ich, so lange der Concertmeister David nicht vollkommen ersetzt ist, aus freien Stücken keinen Urlaub erbeten haben, sofern ich dadurch die Concerte und deren Gelingen auch nur im Entferntesten gefährdet sähe, da mir selbstverständlich das Institut, dem ich anzugehören die Ehre habe viel zu sehr am Herzen liegt, als daß ich seine Interessen in zweite Linie stellen könnte. Was nun die zweite Bedingung anlangt, daß ich sämmtliches Solospiel
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in Concert und Kammermusik, so oft es von mir gefordert wird, gratis zu übernehmen habe, so verspreche ich zwar gerne, daß ich dies noch wie vor thun werde, erlaube mir aber zu bemerken, daß ich es als meine Verpflichtung nicht anerkennen kann. Mein Contract verpflichtet mich allerdings „wenigstens zweimal” in Concert oder Kammermusik als Solist aufzutreten, damit ist aber schwerlich gemeint, daß die Concert-Direction meine Mitwirkung als Solist in uneingeschränkter Anzahl fordern kann; im Gegentheil ist damit doch wohl ausgedrückt, daß ich zu öfterem als zweimaligem Spiele nicht geradezu verpflichtet bin. Wenn ich, trotz dieser Auffassung (welche Sie wahrscheinlich auch als die Richtige anerkennen werden) in den verflosse[nen] dreizehn Jahren meiner Wirksamkeit nicht weniger als 73 Male als Solist, d. h. mit meinem Namen vertreten und selbstverständlich Begleitungen ungerechnet – in Concert und Kammermusik mitgewirkt habe, ohne ein Wort darüber \zu/ verlierenzu haben, so glaube ich damit genügend bewiesen zu haben, daß ich stets rasch und gern bereit gewesen, der Concert-Direction ohne Weiteres meine Dienste und meine Kräfte zu widmen. Nun gestehe ich übrigens unverhohlen ein, daß ich selbst in der Kammermusik nur ungern ein einziges Mal, gleichsam als Gast, aufträte, weil es meiner Ansicht nach für das Gedeihen solcher Kammermusik unentbehrlich ist, daß in der Regel immer dieselben Künstler mit einander spielen und daß es dagegen unstatthaft wäre, diese Abende zum Tummelplatz für Virtuosen zu machen, aber Das hebt nicht auf, daß ich mich nicht
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verpflichtet erachten kann zu unbeschränkten Malen als Solist auftreten zu müssen. Um so unangenehmer würde diese Verpflichtung für mich hinfort, wenn der Modus aufrecht erhalten bliebe, daß die künstlerische Leitung der Kammermusik-Abende ausschließlich dem ersten Concertmeisterüberzustände, eine Einrichtung, der ich mich bei dem Verhältnisse in dem ich zu unserem David stand, gut fügen konnte, die mir aber in Zukunft sehr unbequem werden könnte.
Und nach dieser längeren, vielleicht zu langen Expectoration erlaube ich mir, meine Wünsche dahin zu präcisiren:
daß es der Concert-Direction gefallen möge die Extra-Gratification für 1873/74 in eine dauernde persönliche Zulage umzuwandeln und mir freundlichst zu gestatten, daß ich nach wie vor Kunstreisen unternehme, sofern es ohne Versäumniß von Proben und Concerten oder anderweitige Schädigung der Concerte geschehen kann.
daß die Concert-Direction mich fortan dem ersten Concertmeister als künstlerischer Leiter der Kammermusik-Abende coordiniren möge wogegen ich mich verpflichten würde als der eigentliche ständige Pianist in den Kammermusiken mitzuwirken (ohne weitere Honoraransprüche)
Ich hoffe zuversichtlich, daß die geehrte Concert-Direction diese meine Wünsche nicht als unberechtigte und unbescheidene ansehen wird und daß ich demgemäß einer gütigen entgegenkommenden Antwort werde entgegen sehen können.
Schließlich halte ich es noch für meine Pflicht, der verehrten Concert-Direction mitzutheilen, daß mir von
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zuverlässiger Seite die Mittheilung geworden, daß Herr Hegar, dem Ausspruche des Herrn Prof. Wagner gemäß und ebenso nach dem Urtheile des Geh[eim]Rath Riese in Berlin unbedingt mindestens 3-4 Monate vollständiger Ruhe pflegen müsse und kein Instrument anrühren dürfe. Wir sind also unbedingt gezwungen uns baldmöglichst um einen interimistischen Ersatz für Herrn Hegar zu bemühen.
In aufrichtiger Hochachtung
Ihr ergebener
Carl Reinecke
- Leipzig, 11. September 1873
- Umfang
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- 4 Blätter, 5 Seiten
- Datum
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- 11.09.1873
- Personenreferenz
- Schlagworte
- Bearbeiter
-
- mayer
- Bearbeitungsstatus
-
- fertig
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