Carl Reinecke bittet um Zustimmung zu einer Programm- bzw. Besetzungsänderung
Transkript
Leipzig, 29. Januar 1872
Geehrter Herr Legationsrath!
Da mein Husten einen ganz abscheulichen Character angenommen hat, so wünschte mein
Arzt dringend, daß ich heute noch das Zimmer hüte und ich muß Sie daher leider bitten,
mich für heute zu entschuldigen. Ich habe Ihnen nun aber das Wichtige vorzutragen,
daß Frau Peschka-Leutner Gestern um ½ 1 Uhr zu mir kam, und mich auf’s Drängendste
bat sie von der Hymne von Mendelssohn zu dispensiren, einmal weil sie so sehr stark
beschäftigt sei und dann weil sie dieselbe Hymne schon einmal und mit wenig Glück
gesungen habe. Auch auf eine Arie wollte sie sich nicht gerne einlassen und bat, daß (S. 82, Bl_060) Herr Gura für sie eintrete. Da Herr Gura ebenfalls zur Klavierprobe bei mir anwesend
war, so erbot er sich sogleich freundlichst die Concertscene mit Frauenchor von Bruch
„Frithjof auf seines Vaters Grabhügel” zu singen und habe ich es einstweilen, vorbehaltlich
Ihrer Zustimmung, angenommen, da uns keine große Wahl und wenig Zeit übrig bleibt.
Ich sende nun das Programm mit dieser Nummer ein und ersuche Sie, dasselbe, falls
es Ihre Zustimmung erhält, in die Blätter befördern zu wollen. Ferner sende ich einen Brief von Gade mit ein, woraus Sie leider ersehen werden, daß
er seine neue Symphonie bis zum 8t. Februar nicht senden kann. Falls Sie sich für die Scene von Bruch entscheiden (es ist etwas Neues für Leipzig)
bitte ich um die Erlaubniß die nöthigen Chorstimmen \etc./ anschaffen zu dürfen; dieselben
sind sehr billig, denn alle 4 kosten im Ladenpreise 7 ½ [...]. Da die Chorparthie
leicht ist, so kann ich das Werk Morgen Abend genügend einstudiren.
Mit hochachtungsvollem Gruße Ihr ganz ergebener Carl Reinecke
